Muss oder Mythos: Rotwein dekantieren
Das Servieren eines Weins, gerade eines Rotweins, ist oft mit großem Getöse verbunden: Da wird lange am Korken geschnuppert und ins Glas geblinzelt. Das gewünschte Ergebnis: Die Gäste blicken sich ehrfurchtsvoll an und preisen den Hausherren für seine Sachkenntnis. Dabei deutet dieses Getue eher auf einen Unterhaltungskünstler denn auf einen Weinfachmann hin. Eine rituelle Handlung ist aber tatsächlich absolut sinnvoll, besonders bei älteren Weinen mit Bodensatz: den Rotwein zu dekantieren.
Rotwein dekantieren: Nieder mit dem Bodensatz!
Der Begriff Dekantieren umschreibt das vorsichtige Umfüllen des Inhalts einer Flasche Rotwein in eine Karaffe, den sogenannten Dekanter. Dabei soll der Wein von dem Depot am Flaschenboden getrennt werden. Mit Depot ist der überwiegend aus Farb- und Gerbstoffen bestehende Bodensatz gemeint, der sich nach einer gewissen Lagerungsdauer in der Flasche bildet und einen leicht bitteren Geschmack hat. Während des Umfüllens hält man am besten eine Lichtquelle unter die Flasche – so lässt sich erkennen, wann sich das Depot dem Flaschenhals nähert und man die Flasche wieder absetzen sollte. Da der Kontakt des Weins mit zu viel Sauerstoff zum Umkippen des Weins führen kann, sollte hier eine schmale Dekantierkaraffe mit einer kleinen Kontaktfläche zwischen Flüssigkeit und Luft verwendet werden.
Karaffieren: Sauerstoffschock für den Wein
Viele Menschen meinen, wenn sie dekantieren sagen, eigentlich karaffieren. Dieser Vorgang bezeichnet das Belüften eines Rotweins, damit er durch den einströmenden Sauerstoff sein volles Aroma entwickeln kann. Auch dazu wird der Wein in eine Karaffe gefüllt, die in diesem Fall aber eine bauchiger Flaschenmitte aufweist und einen Hals, der sich nach oben hin verjüngt. Hier ist die Kontaktfläche zwischen Wein und Sauerstoff groß, so kann der Rotwein atmen und sein Aroma verbessern. Das Karaffieren ist geeignet für jüngere Rotweine mit hohem Tanningehalt, die sonst pelzig schmecken könnten. Bei älteren Rotweinen ist Vorsicht geboten, der Wein kann schnell oxidieren!
Übrigens: Das Karaffieren von Weißwein ist überflüssig – ein Weißweinglas mit einem genügend großen Durchmesser sorgt schon allein für den gewünschten „Sauerstoff-Schock“. Nur wenn sich am Boden der Weißweinflasche bereits ein Depot gebildet hat, kann man den Bodensatz durch Umfüllen in eine Karaffe vom Wein trennen. Allerdings sollte der Dekanter auch hier eher schmal ausfallen und der Wein nicht länger als eine Stunde in der Karaffe verbringen.
Salute!
Bildquelle: Fotolia, 65271721, i-picture